Was entdeckte ich Neues und Unerhörtes? Ei, ganz einfach besagtes, allerliebstes, zartes Putzgeschäft und Modesalon.

Paris und Petersburg, Bukarest und Mailand, London und Berlin, alles, was elegant, liederlich und hauptstädtisch ist, trat mir nah, tauchte vor mir auf, um mich zu blenden, berücken, faszinieren. Aber in Haupt- und Weltstädten fehlt der grüne, sanfte Baumschmuck, die Wohltat und der Zauber freundlicher Wiesen, die Zierde von vielen lieben Blättern und nicht zuletzt der Blumenduft, und alles dies hatte ich hier.

«Dies alles», so nahm ich mir fest vor, «zeichne und schreibe ich demnächst in ein Stück oder in eine Art Phantasie hinein, die ich «Der Spaziergang» betiteln werde. Namentlich darf mir dieser Damenhutladen keinesfalls darin fehlen, weil sonst dem Stück ein wahrhaft hoher Reiz abgehen würde.

»Federn, Bänder, künstliche Blumen und Früchte auf netten, drolligen Hüten waren für mich fast ebenso anziehend wie die anheimelnde Natur selber, die mit ihrem Grün und sonstigen warmen Farben und Phantasieformen lieblich umrahmte, so, als sei das Putzgeschäft bloss ein reizendes Gemälde. Ich rechne hierbei mit dem feinsten Leserverständnis. Vor jeder Art Lesern fürchte ich mich aufrichtig und beständig. Das elende Feiglingseingeständnis halte ich für nur zu begreiflich. Noch allen kühneren Autoren ging es so.

Gott! Was erblicke ich, ebenfalls unter Blättern, für einen entzückenden, niedlichen Fleischladen mit rosarotem Schweine-, Rind- und Kalbfleischwaren.

Robert Walser, Der Spaziergang, Suhrkamp, 1978, S. 26–27